Bis zum Tellerrand und noch viel weiter

Eigentlich habe ich mir das Berufsleben recht einfach vorgestellt. Man lernt seinen Beruf und macht dann bis zur Rente nichts anderes. Vielleicht nochmal ne Umschulung oder so, aber im Grossen und Ganzen doch eher konstant. In meiner Geschichte vor praemandatum war das auch der Fall. Im Studium habe ich schon als Nebenverdienst der Systemadministraterei gefröhnt und auch beim ersten Arbeitgeber gab es nur Systeme und ihre Administration.

Doch bei praemandatum sieht das Ganze etwas anders aus. Hauptberuflich bin ich hier Systemadministrator, oder wie wir gelegentlich zu sagen pflegen: Infranterist (Da ist ein albernes Wortspiel etwas ausgeartet). Statt wie bisher konnte ich hier jedoch nicht nur manchmal über den Tellerrand schauen. Es ging sogar über die Tischkante hinaus.

Aber bleiben wir erstmal in Tellernähe. Weil mir der Sinn nach etwas Abwechslung stand, mache ich für unbestimmte Zeit ein Praktikum in unserer Webentwicklung. Ein bis zwei Tage die Woche sitze ich also nicht am Computer und verwalte unsere Systeme, sondern sitze am Computer und webe in der Entwicklung. Der Schritt von der Administration zur Entwicklung ist jetzt nicht so abwegig, ganz im Gegenteil fast schon üblich.

Dass ich jedoch mal als „Lehrer“ vor Schulklassen stehen würde, hätte ich mir im Leben nie träumen lassen. Und dennoch kam es dazu, dass ich am Anfang diesen Jahres im Rahmen unserer regelmässigen Seminarwochen bei der Käthe-Kollwitz-Schule unsere Akademie unterstützen musst… durfte. 

Und so stand ich da, eine Woche lang, jeden Morgen, vor Schülern von der 5. bis zur 9. Klasse und habe Dinge erzählt. Vom Umgang mit den eigenen Daten, Überwachung, etc.. Also all diese Dinge, von denen man weiss, dass man sich da eigentlich mal Gedanken drüber machen sollte, sie aber doch allzugerne wieder verdrängt.

Zumindest bin ich bisher davon ausgegangen, dass man das weiss. Eine Lehrerin hat es im Geplauder nach der Unterrichtsstunde ziemlich passend beschrieben: „Es ist traurig, wie selbstverständlich die Jugend von heute alles über sich preisgibt. Aber die kennen es ja nicht anders. Die sind damit aufgewachsen. Das war mal anders. Ich stand damals beim Zensus auch mit auf der Strasse und habe dagegen demonstriert.“ (Der Wortlaut mag etwas anders gewesen sein, ist schon ein halbes Jahr her, aber sinngemäss war das ihre Beschreibung). Die Reaktionen der Schüler haben mir glücklicherweise die Hoffnung gegeben, dass es jetzt ein paar Heranwachsende gibt, die etwas zurückhaltender mit ihren Daten umgehen. Oder wenigstens einmal bewusst die Entscheidung für sich getroffen haben, dass es ihnen egal ist. 

Ich habe in der Zeit auch bewusst eine Entscheidung für mich getroffen. Ich. Werde. Niemals. Lehrer. Sechs bis acht Stunden am Tag vor 20 bis 30 Menschen stehen und das Zentrum ihrer Aufmerksamkeit zu sein, ist mir zu anstrengend. Das ist einfach nicht meine Welt. Dann doch lieber Computer. Ich ziehe meinen Hut vor den Lehrern.

Trotzdem bin ich dankbar, diese Erfahrung machen zu dürfen. Ich habe dabei nicht nur viel über mich selbst, sondern auch über die heranwachsenden Generationen lernen können. Am erkenntnissreichsten fand ich dabei die offenen Diskussionen über das Thema „Überwachung“. Die zwei Klassen, die ich hab‘ diskutieren lassen, sind dabei in komplett unterschiedliche Richtungen gegangen.

Die erste Klasse unterhielt sich hauptsächlich über die Überwachung im privatwirtschaftlichen Bereich. Was es für Auswirkungen hat, wenn Firmen alles über einen wissen können. Ob zukünftige Arbeitgeber das Facebookprofil zur Einstellung bewerten sollten, oder ob es gut oder schlecht ist, wenn die KFZ-Versicherung per GPS dein Fahrverhalten trackt. Im Gegensatz dazu ging es in der zweiten Klasse um staatliche Überwachung und über die Abwägung von Freiheit und Sicherheit.

Sicher bin ich mir, dass es bei der nächsten Generation Interesse an gesellschaftspolitischen Themen wie dem Datenschutz gibt. Es muss nur geweckt werden. 

Ich bin gespannt, was nach der Tischkante kommt.
 

SK2