Wochenrückblick auf TTIP-Leaks: Datenschutz und Privatsphäre kommen nicht vor

Der Entwurf des Freihandelsabkommens TTIP rüttelt nicht nur an Natur- und Tierschutz, Umweltschutz-und Verbraucherrechten, sondern explizit auch an Datenschutzrechten.

Nachdem Greenpeace am Montag, 2.5.2016, Abschriften von geheimdiplomatischen Texten des Freihandelsabkommens TTIP veröffentlicht hat, kam in der offiziellen Presse der Datenschutz so gut wie nicht vor. Doch ebenfalls am 2.5.2016 hat netzpolitik.org in Zusammenarbeit mit der internationalen Vereinigung von Bürgerrechtsorganisationen EDRi (European Digital Rights) bereits eine Kurzanalyse der TTIP-Texte hinsichtlich Internet, Telekommunikation und Datenschutz veröffentlicht.

Aus einem konsolidierten Text zur elektronischen Kommunikation bezieht sich der Autor Markus Reuter auf Teile aus Artikel X und Artikel 48.

  • Demnach bekämen nationale Telekommunikationsregulierungsbehörden sehr viel mehr Macht als die EU ihnen bisher zuschreibe. Diese Behörden könnten demnach ohne jegliche demokratische Rechenschaftspflicht und Verantwortlichkeit Regulierungen aufheben oder ändern.
  • EU-Datenschutz könne als „unnötiges Handelshindernis“ sehr breit interpretiert werden.
  • Festgelegte Paragraphen böten keinen Datenschutz, wie er in der Datenschutzgrundverordnung oder in der E-Privacy Directive festgeschrieben wird.
  • Welche Bedingungen eine US-Firma erfüllen müsse, um öffentliche Telekommunikationsleistungen eines EU-Landes nutzen zu dürfen, sei sehr klar geregelt und Datenschutz wie Privatsphäre gehörten nicht dazu.

netzpolitik.org kündigte an, die TTIP-Dokumente nach weiteren Feldern zu sichten und umfassender weiter zu berichten.

Datenschutz und Privatsphäre als unnötige Handelshindernisse auslegen zu können, macht den Entwurf von TTIP nicht besser.

Von Konzernen mit dem Handelsgut persönlicher Konsumenten-Daten sind weder Gnade und Menschenwürde noch etwas so altmodisches wie Werte, Moral, Grundrechte zu erhoffen. Die kommerziellen Datenkraken machen ja jetzt schon, was sie können.

Welche Monströsitäten bisherige Freihandelsabkommen und Schadensersatzklagen bei entgangenen Gewinnen und „unnötigen“ Handelshindernissen annehmen können, zeigten unter anderem die Netzfrauen im April 2016 auf: Kolumbien wurde auf 16,5 Milliarden Dollar zukünftiger Ertragsverluste verklagt, weil die zwei Klage führenden US-Konzerne im geschützten Regenwald kein Gold abbauen dürfen …

Ebenfalls im April veröffentlichte die taz Mexikos Warnung an Europa: „Nach 22 Jahren Freihandelsabkommen mit USA und Kanada zieht Mexiko eine fatale Bilanz. Was heißt das für TTIP und die Europäer?“

Was sich bereits seit längerer Zeit abzeichnete: Frankreich hat nun Nein zu diesem Stand von TTIP gesagt.

Die deutschen Befürworter des Vertrages schienen in der vergangenen Woche offensichtlich … still. Nein nein, man wolle TTIP rasch unter Dach und Fach bringen, da sei die einhellige Meinung der ganzen Regierung, berichtete der Spiegel.

Die Gegner, Aktivisten wie Experten in Deutschland rücken nun heraus aus der Ecke vermeintlicher Verschwörungstheoretiker und Kulturpessimisten.

Der Ökonom Prof. Max Otte sagte bereits im April 2016 in einem ZDF-Interview: „TTIP ist die völlige Entmachtung der Politik!“

„Mr. Dax“ Dirk Müller äußerte sich zu den Veröffentlichungen temperamentvoll und gut informiert im Tagesausblick vom 2.5.2016 – „TTIP-Rohvertrag: Viel schlimmer als erwartet!“

Es scheint offensichtlich, dass zwischen einem Freihandelsabkommen und Freibeuter-Freibriefen für Ressourcen-Plünderer und Daten-Wegelagerer kompetent und eindeutig unterschieden werden kann. Und damit begehen wir kein Verbrechen an unseren Enkeln. Das muss niemand bei der nahenden Fußball-EM leise durchwinken.

Upload 19.5.2016, doch sie arbeiten weiter still und leise daran: „In einem informellen sogenannten Non-Paper von Anfang April, das der ZEIT vorliegt, wirbt die Bundesregierung gemeinsam mit Österreichern, Finnen, Franzosen und Niederländern für den Erhalt privater Schiedsgerichte in der EU“.

dh

Mehr Informationen und Kommentare nach TTIP-Leaks:

Greenpeace zu den Veröffentlichungen von TTIP-Verhandlungen auf der re:publica am 2.5.2016: https://youtu.be/6hDm8DG5h_s

Schwere Zeiten für Whistleblower: http://www.tagesspiegel.de/politik/neue-richtlinie-der-eu-europa-droht-den-helden-des-gemeinwohls/13527692.html

Deutschlandradio Kultur vom 7.5.2016: „Die TTIP-Leaks haben offenbart, was schon lange klar ist: Das Problem ist weniger, dass Parmaschinken bald aus Idaho kommen könnte. Viel schwerer wiegen die kaum zu vereinbarenden Vorstellungen von sozialen und Arbeitnehmerrechten, meint Brüssel-Korrespondentin Annette Riedel.“: http://www.deutschlandradiokultur.de/ttip-verhandlungen-eu-darf-ihre-positionen-nicht-aufgeben.996.de.html?dram%3Aarticle_id=353445

Deutschlandradio Kultur vom 8.5.2016: Wochenkommentar zu TTIP – Politische Platzangst: http://www.deutschlandradiokultur.de/wochenkommentar-zu-ttip-politische-platzangst.2162.de.html?dram%3Aarticle_id=353563