Zum Stand der Technik: Wenn spezielle und geeignete Algorithmensoftware über Bilder läuft, könne sie zwar erkennen ob nackte Haut oder so etwas wie Blut erkennbar wäre. Nicht erkennbar sei bisher, ob die Bilder dabei „problematische“ Inhalte wie gewalttätige Pornografie, Hinrichtungen, Verstümmelungen, Kunstwerke darstelle. Noch bliebe es Menschen vorbehalten, diese Bilder zu betrachten, zu zensieren, zu löschen. Tag für Tag, Stunde um Stunde, zum Beispiel auf den Philippinen.
Unter anderem die taz und der Deutschlandfunk vom 25.4.2016 veröffentlichten in zwei Interviews aus unterschiedlichen Perspektiven, was der Berliner Theaterregisseur Moritz Riesewieck auf den Philippinen recherchiert hat. Über reinen Enthüllungsjournalismus hinaus will Riesewick einen komplexen Kulturrahmen eröffnen. Am 26.4.2016 hielt er in der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin eine „Lecture-Performance“, die auf seiner Recherche basiert. Weitere Erlebnisse sollen auf der re:publica und beim Theatertreffen der Berliner Festspiele 2016 folgen.
In den Interviews sprach Riesewieck darüber, warum gerade auf den Philippinen das Internet von „sündhaften“ Inhalten reingewaschen werden solle. Das „Panorama der Abartigkeiten“ solle gelöscht werden. Riesewick vertritt die These, „dass wir es da mit einer extrem christlich-radikalen Sondereinsatztruppe zu tun haben, mit einer Putztruppe, mit einer Truppe, die im Namen des Herrn unterwegs ist.“ Quelle: Deutschlandfunk
Auftraggeber seien Konzerne wie Facebook, die bestimmten, welche Inhalte moralisch und ethisch in Ordnung seien. Das mag als Hausherr über eigene Plattformen eigenes Hausrecht sein, hier und heute unreflektiert dahingestellt bleiben, da es an anderen Orten diskutiert wird. Hoffentlich.
Erheblich verstörend blieb mir die Bewusstwerdung, was Menschen, die sich der Internetsäuberung hingeben, persönlich blüht, wie Riesewieck es formuliert. „Aber klar ist auch: Hier werden gerade in großem Stil ganze Teile einer Gesellschaft traumatisiert, Tausende von Menschen, deren Tagesaufgabe darin besteht, im Sekundenrhythmus Schockbilder anzuschauen und durchzuklicken, von denen viele auf der anderen Seite der Welt produziert werden. Sie werden damit einfach alleingelassen.“ Quelle: Deutschlandfunk
Fragen entstehen und bleiben: Für welchen Stundenlohn würde ich das machen? Würde ich das wirklich machen? Könnte ich das? Könnte ich Abstand von unzähligen Abartigkeiten halten? Normal bleiben? Wäre es sinnvoll, diese „Säuberungen“ zu unterlassen und uns unseren eigenen gesellschaftlichen Müll daheim zu präsentieren statt ihn wie gewohnt, zu exportieren wie Atommüll, Giftmüll etc.? UND: Würden wir bei solchen Plattformen bleiben?
Fragen über Fragen … Mehr Stoff:
Deutschlandfunk: Sauberes Internet „Putztruppe im Namen des Herrn“
dh + + + Upload 28.4.2016 !:
Heinrich Böll Stiftung, You Tube-Video: Die Müllabfuhr im Internet (1) – Lecture Performance. Premiere von und mit Moritz Riesewieck:
„Die Ausgelagerten“
netzpolitik.org: Die digitale Müllabfuhr: Kommerzielle Inhaltsmoderation auf den Philippinen