Uploadfilter zerstören Innovation – Urheberrecht sollte aber Innovation fördern

In Zusammenarbeit mit Hannover IT haben wir eine Stellungnahme zu den geplanten Urheberrechtsänderungen erarbeitet, die wir hier und auch hier unten veröffentlichen:

 

SAVE THE INTERNET!

Als IT Verband liegt uns das Internet als zentrale Informationstechnische Struktur sehr am Herzen. Die geplanten  Änderungen zur EU-Urheberrechtsreform haben das Potential, wesentliche Kernelemente der innovativen, wertschöpfenden Kraft dieser Infrastruktur zu zerstören. Daher appellieren wir an die politischen Entscheidungsorgane der Europäischen Union, sich gegen ein restriktives Urheberrecht und gegen Upload-Filter auszusprechen.
Wir sind auf den Wissensaustausch angewiesen.

Das Internet bietet weitreichende Möglichkeiten für den Austausch von Informationen, Wissen und Kunst. Als IT-Unternehmer sind wir vom ideellen und ökonomischen Gewinn dieses Austauschs überzeugt. Einerseits dient das Internet dem Informationsaustausch unserer Kunden, wofür wir Ihnen unsere Hilfeleistungen anbieten, andererseits sind wir selbst
auf den Austausch von Informationen über unzählige Plattformen angewiesen. Angewiesen, weil wir selbst unser tägliches Wissenspensum über Internetplattformen beziehen, das wir für unsere Dienstleistungen benötigen.

 

Der „Kollateralschaden“ jeglicher Filter ist fatal

Automatisierte Filter, wie auch ein aufheben der Unschuldsvermutung und die Einführung einer manuellen Prüfpflicht werden notwendigerweise den Informationsaustausch massiv einschränken.

Fehlerfreie Filter sind eine Illusion

Technische Systeme sind lernfähig, aber nie perfekt. Jedem technischen System liegt ein Modell zugrunde, das Teile der Wirklichkeit abbilden kann, und andere nicht. Schon die Modellierung von Rechtsverstößen enthält damit blinde Flecken und wird viele Fälle ausschließen, die eigentlich legal sind. In der technischen Umsetzung führen darüber hinaus technische und organisatorische Unzulänglichkeiten zu weiteren Fehlfunktionen. Das heißt, dass regelmäßig legaler Content aussortiert und rechtmäßig erstellte Inhalte gelöscht werden.

Urheberrecht sollte aber Innovation fördern.

Restriktives Urheberrecht führt zu Wissensverlust.
Ein strenge Prüfpflicht mit hohem Strafmaß wird außerdem die Rechtsunsicherheit erhöhen und zu einer restriktiven Praxis führen. Dadurch werden also im Zweifelsfall Informationen nicht zugelassen. Die vorgeschlagenen Gesetzesänderungen führen also in ihrer aktuellen Form unweigerlich zu einem immensen Verlust von Wissen und Informationen. Den Verlust von Ressourcen die zentral für Wirtschaft und Gesellschaft sind, gerade im Zeitalter der Informationen.

Strukturelle Benachteiligung des Mittelstands

Selbst führende Internetgiganten haben trotz immenser Ressourcen Schwierigkeiten wirksame technische Instrumente zu entwickeln. Mittelständische Unternehmen können derartig aufwändige Entwicklungsarbeit gar nicht leisten, und teure Lizenzgebühren für externe Filtertools könnten tiefe Löcher in die Budgetplanung reißen. Abseits der technischen
Lösungen gilt dasselbe für die juristische Abdeckung von Streitfällen. Auch hier haben kleine und mittlere Unternehmen im Vergleich einen schweren Stand, da sie nicht im selben Maße Ressourcen für Anwälte aufwenden können.

Damit wird es immer unwahrscheinlicher für Start-Ups und mittelständische Unternehmen mit den etablierten Aktienunternehmen zu konkurrieren. Dabei macht Konkurrenz durchaus Sinn im Bereich von lokalen Plattformen als Alternative zu den einschlägigen Diensten.

Rechtsdurchsetzung schwierig, Zensur einfach

Während die effiziente fehlerarme Umsetzung von Upload-Filtern äußerst schwierig bleibt, so machen derartige Filter es doch leicht möglich nach anderen, politischen Kriterien Inhalte zu filtern.

Juristische Einschätzungen über die Originalität von Ausschnitten von Inhalten sind deutlich komplexer zu erfassen als politische Schlagwörter.

Damit kann ein Upload-Filter leicht dafür benutzt werden beispielsweise bestimmte politische Brisanz-Themen auszuklammern. In einem solchen Anwendungsszenario ist auch eine zu starke Filterung kein Problem. Autokratische Regierungen sind keineswegs weit von uns entfernt, sondern eine konkrete Gefahr. Nicht nur in benachbarten Ländern leben autoritäre politische Bewegungen auf, auch im eigenen Land gibt es einen wachsenden Unmut gegenüber der freien Presse und Bewegungen, die ihre politischen Gegner erklärter Maßen mundtot machen möchten.

Zensur ist hierbei keine Hilfe, sondern verhindert die gesellschaftliche Meinungsbildung, und den Austausch der verschiedenen politischen Positionen.

Freier Informationsaustausch darf nicht auf etablierte Plattformen beschränkt werden.

Zwar sehen manche Vorschläge vor, Ausnahmen für Wikipedia, Github und andere zu schaffen. Aber das greift zu kurz und geht am Kernproblem vorbei. Wikipedia konnte nur groß werden in einem Umfeld, in dem kleine Gruppen in Eigeninitiative Plattformen zum Teilen von Wissen bauen konnten. Unzählige andere Wikis zu besonderen Themenbereichen sind Teil des globalen essentiellen Wissensaustausches. Github ist nur ein Anbieter zum Teilen Freier/Libre Open Source Software, und es wäre fatal, wenn es nicht mehr möglich wäre, eigene derartige Plattformen zu betreiben.

Ein Grundsatz von Freier/Libre Open Source Software, und ein Grundpfeiler der Informationsgesellschaft ist das „Right To Fork“: Wenn ein Dienst-Betreiber nicht im Sinne seiner Kunden handelt, können diese die Software nehmen und einen eigenen Dienst betreiben. Dieses Recht eigene Plattformen, Wikis, Code-Sharing, Foren, Dienste anzubieten ist also notwendig um nicht von einem Anbieter abhängig zu sein, und darüber hinaus essentiell für unzählige Nischenprojekte – von denen Wikipedia einst auch eines war. Es ist also unmöglich eine abschließende Liste von Plattformen zu machen, die als Ausnahme gelten, und es wäre fatal neue Plattformen und Nischenplattformen auszuschließen. Dies würde einen unverhältnismäßigen Verlust an Diversität und Innovationspotential bedeuten!

Für ein kreatives Klima

Urheberrechte sollen Kreativität und Innovation fördern. Aus den genannten Gründen sehen wir die aktuellen Pläne der Urheberrechtsreform mit Sorge. Sie benachteiligen kleine und mittlere Unternehmen, sie verhindern die Produktion von Wissen und das Teilen von Informationen, und sind politisch hoch gefährlich, vor dem Hintergrund autoritärer und
faschistischer Bewegungen.

Das Urheberrecht darf nicht so zugerichtet werden, dass es seine eigenen Ziele bekämpft.